Land zwischen Oder und Newa

Fünf Länder, 1.600 km Festlandsküste, mehr als 1.500 Inseln…

Eine dreiteilige Filmreise, die von spannenden Geschichten und atemberaubender Natur erzählt, von Mythen, Menschen und verschiedensten Nationen im Gestern und Heute… alle verbunden über das „mare balticum“. Die Deutschen sagen zu ihm Ostsee, die Balten Westsee. Es hat Land und Mensch geformt… und prägt noch heute Alltag, Wirtschaft und Kultur. Für manchen Deutschen ist dieser östliche Küstenabschnitt noch immer ein Stück Heimat - die man nach dem Fall des Eisernen Vorhangs wieder aufsuchen kann… die neue, ungeahnte Chancen bietet. Über Danzig, Riga, Tallin und die Inseln Estlands bis nach St. Petersburg - vorgestellt in überraschenden, auch kuriosen Geschichten und faszinierenden Bildern. Auf einer abenteuerlichen Reise mit einem kleinen Segelboot - 1.600 Kilometer der Ostseeküste nordostwärts folgend - über sechs Ländergrenzen hinweg.

Eine Filmreihe produziert für den NDR… als 60- und 90minütige Dokus. Gefördert mit Mitteln der nordmedia - Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/Bremen mbH.

Teil 1 - Von Stettin bis Danzig - in 90 Film-Minuten 
Alte deutsche Ostseebäder und Hansestädte voller historischer Schätze, einst Heimat von Slawen, Wikingern und Kaschuben. Riesige Wanderdünen, endlose Strände und die sturmgepeitschte Nehrungsinsel Hela.  Hier leben Menschen wie in einer anderen  Zeit, mit wiederbelebten Traditionen und Bräuchen. Die heute polnische Ostseeküste hat sich nach dem Fall des Eisernen Vorhangs der Welt geöffnet. Der Film ist eine erlebnisreiche Entdeckungsreise über Wasser und Land… bis Danzig und weiter ins verschlafene Weichsel-Nogat-Delta dicht vor der russischen Grenze, vor 700 Jahren wichtigster Vorposten des Deutschen Ordens.

Die Reise beginnt in Stettin, einst Hauptstadt der Preußen-Provinz Pommern, und führt dann zur Insel Wolin am Oderhaff. Vor tausend Jahren ein wichtiger Handelsplatz für Slawen, Wikinger und andere Ostseevölker. Über Swinemünde geht es aufs Meer hinaus zur Ferienhauptstadt Polens: der Salzstadt Kolberg, vor dem Krieg eines der größten deutschen Ostseebäder. Heute ist Moormatsch der Schatz der Stadt. Weiter östlich liegt das Seebad Ustka, das alte Stolpmünde. Ein Strandwurzel-Schnitzer freut sich hier über Herbststürme. Die bringen ihm Geschichten flüsterndes Wurzelholz. Traditionelle Strandfischer fahren in bunten Holzbooten aufs Meer hinaus. Die gigantischen Leba-Dünen überrollten Kirchen und Wälder und wandern noch immer. Hinter ihnen entstanden große Küstenseen im Schutz der Nehrungen vor den Ostseewellen. Im Slowinzen-Dorf Kluki spielt man zur „Schwarze Hochzeit“ auf. Die Sprache des alten Volksstammes und Kaschubische Musik erleben hier eine Renaissance - mit absonderlichen Instrumenten wie dem Brumm-Topf aus Holz und Pferdehaar. „Kuhschwanz“ nennen die Einheimischen ihre Halbinsel Hela, weil sie wie ein Schweif am Festland hängt. Ein pensionierter Schiffbauer hat sich hier den „Pomerankas“ verschrieben, traditionellen kaschubischen Fischerbooten. Wissenschaftler forschen auf der Halbinsel, wie sich Ostsee-Robben besser schützen lassen. Nach Danzig ist es von Hela aus nur ein Sprung über die Bucht. Die alte Hansestadt, im Krieg schwer zerstört, wurde fast originalgetreu wieder aufgebaut. Sie nennt sich auch „Welthauptstadt des Bernsteins“ und ist berühmt für die kunstvollen Beischläge in der Frauengasse. Und dafür, dass hier, auf ihrer alten Lenin-Werft „Solidarność“ gegründet wurde - der Sozialismus fing damals an zu bröckeln. Kurios: im ältesten Kirchturm der Stadt erbaute der Museumsdirektor die genaueste Uhr der Welt … und griff dabei nach den Sternen. So fällt auf einem der alten Leuchttürme an der polnischen Küste der historische Zeitball präziser als die Atomuhr tickt. Jahrhunderte alt ist das Entwässerungssystem im Weichsel-Nogat-Delta, Holländer haben es gebaut. Heute ist es ein abwechslungsreiches Hausbootrevier: an den Ufern stehen Vorlaubenhäuser mit Schnitzwerk reich verziert; der Oberländische Kanal, der Schiffe trockenen Fußes über Rollberge bringt… und die Marienburg,
der größte Backsteinbau Europas. Um 1300 schuf sie der Deutsche Orden als Zeichen seiner Macht im baltischen Raum.

Teil 2 - Von Kaliningrad bis Riga - in 90 Film-Minuten

Jenseits der polnischen Ostseeküste liegen die jungen baltischen Staaten am Meer, davor die russische Exklave Kaliningrad. Jahrzehntelang vom „Eisernen Vorhang“ abgeschottet, verbindet sie die gemeinsame Vergangenheit - geprägt vor allem vom Leben und Überleben an der Küste, von Schifffahrt und Handel. Wohlhabende Städte wie Königsberg, Memel oder Riga wuchsen daraus hervor - weltoffen und reich an Kultur. Lange Zeit verbotene Traditionen und vergessene Bräuche dürfen in Litauen, Lettland und Kaliningrad wieder gelebt werden. Der Film begegnet  ihnen und den Menschen in dieser vom Baltischen Meer geprägten Welt.

Das erste Ziel: Baltijsk, das frühere Pillau. Jahrzehntelang Sperrgebiet und noch heute Hauptstützpunkt der Russischen Baltischen Flotte. Dahinter liegt die ehemalige Kornkammer Ostpreußens. Ein junger Landwirt aus Niedersachsen kämpft dort gegen Dornenbüsche an. Die Gebietshauptstadt Kaliningrad putzt sich langsam heraus und setzt dabei auf ihre Wurzeln: 700 Jahre Königsberger Geschichte, von den Sowjets fast ausgerottet. Die Seebäder an der Küste haben ein anderes Problem: die Ostsee hat ihnen den Sand geraubt. Küstenschutz gab es zur Sowjetzeit kaum. Dafür wird hier Bernstein abgebaut - 90 Prozent der Weltproduktion. Tilsiter Käse, das russische Nostalgiegetränk Kwas, Trakehner-Pferde… und nicht weit davon das alte Memelland - heute halb russisch, halb litauisch. Hier leben Hilde und Walter, die in der Geschichte einfach hängen geblieben sind - ohne Wasser und Strom. Die Kurische Nehrung mit ihren atemberaubenden Wanderdünen und dem malerischen Haff zieht jeden in ihren Bann. Auch Thomas Mann, der auf litauischer Seite den Sommer genoss. Und hier, zwischen bunten Holzhäusern und Kurenwimpeln, kämpft heute die Nationalpark-Chefin um den Sand auf der Nehrung. Aurelius fährt auf seinem Kurenkahn hinaus. Und das heidnische Johannisfest ist der Höhepunkt zur Mittsommer-Sonnenwende… mit einer Prozession unter Blumenkränzen und lodernden Fackeln. Vor der Nehrungsküste sorgt die Litauische Marine für Sicherheit am Strand, wo Munitionsreste aus den Kriegen angespült werden. Ein Minensuch-Manöver der NATO soll Abhilfe schaffen. Marine-Stützpunkt ist Klaipeda, das frühere Memel. Das „Ännchen von Tharau“ steht hier auf dem Theaterplatz. Liepaja ist dann der erste Hafen in Lettland. Auch die Letten leben tief verwurzelt mit ihren Traditionen. Menschen, die fest an die Mythen ihrer Vorfahren glauben: Wie die „Blaue Kuh“, die eine Meerjungfrau den Bauern bei Vollmond aus der Ostsee brachte. Oder die Letzten der fast ausgestorbenen Liven, die nun die alten Höfe ihrer Großeltern am sturmgepeitschten Kap Kolka wiederbeleben. Oder die Großmutter, die in reich geschmückter Tracht die Aussteuer ihrer Enkelin besingt… mit den „Dainas“ ihrer Ahnen. Im Pape-Naturpark gleich hinter den Dünen kommen Wildpferde bei Sonnenuntergang zum Lagunensee. Ein Bild wie vor tausend Jahren. Deutlich jünger ist das düstere Karosta: ein Militärgefängnis seit der Zarenzeit. Auch aus der Zarenzeit bekannt: Jurmala. Der wohl exklusivste Badeort im ganzen Baltikum mit seiner einzigartigen Holzarchitektur. Und dann das Ziel dieser erlebnisreichen Reise: Riga, größte Stadt im Baltikum - früher als Hansestadt berühmt, heute auf der UNESCO-Liste.

Teil 3 - Von Estland bis St. Petersburg - in 90 Minuten

Unberührte, einsame Wildnis, die die Seele berührt. Das ist Estland. Heimat eines nordischen Volkes mit tief sitzenden heidnischen Wurzeln. Nur 1,3 Millionen Einwohner, die sich ihre Unabhängigkeit singend erkämpft haben. Kleine Orte mit bunten Holzhäusern  - „Bullerbü“ entsprungen. Und Tallinn, mittelalterliche Hansestadt, für viele die „Perle des Baltikums“. Im Kontrast dazu: das russische St. Petersburg, eine atemberaubende Kulturstadt. Heute die nördlichste Millionenmetropole. Der Zar hatte sie als „Fenster zum Westen“ aus dem Sumpf der Newamündung stampfen lassen. Es ist eine abenteuerliche Entdeckungsreise zwischen völlig verschiedenen Welten.   

Riga liegt an der Daugava, Lettlands großem Strom. Hier, wo die Christianisierung des Baltikums begann, haben Nonnen aus Deutschland ein neues Kloster gebaut. Der zweite historische Fluss Livlands ist die Gauja, der Fluss der alten Holzflößer. An ihm wurde den „Dainas“ ein Denkmal gesetzt: kleine Vierzeiler, meist gesungen, in denen die ursprünglich heidnischen Letten und Esten ihre Traditionen und Mythen von Generation zu Generation weitergaben… und so ihre nationale Identität bewahren konnten. Historisch fast immer umkämpft und fremdbeherrscht haben Lettland und Estland erst 1991 die Unabhängigkeit zurückbekommen… auch Dank ihrer Lieder. Die Gauja schlängelt sich durch ein sagenhaftes Urstromtal bis in die Rigaer Bucht. Über sie geht die Reise weiter nach Estland: Mehr als 1.500 Inseln, die meisten schroffe Winzlinge, die kaum aus dem Wasser lugen. Die Küsten übersät mit Findlingen, als hätten Riesen mit Murmeln gespielt. Und dahinter: dichte Urwälder in denen man sich verlaufen kann… mit Elchen, Bären und Luchsen. Riesige Seen und Moore, die zu den letzten Wildnissen Europas gehören. Und heidnische Bräuche und Traditionen: Auf der kleinen Insel Kihnu haben seit alters her Frauen in rotgestreiften Wollröcken „die Hosen an“. Auf alten Motorrädern knattern sie zum abendlichen Volkstanz. Am Festland gegenüber: der Soomaa-Nationalpark. Hier baut Aivar Ruukel „Haabjas“ noch heute so, wie seine Urgroßväter: aus einem einzigen Espenstamm. Auf der Insel Hiiumaa ließ sich ein Deutschordens-Bischof den Bau des Leuchtturms „Köpu“ von der Hanse mit viel Wein bezahlen. Später hatten die Sowjets die gesamte Inselwelt zum Sperrgebiet gemacht. Die Insel Naissaar ist erst vor kurzem wieder aufgetaucht… gespenstisch übersät mit verrosteten Seeminen. Märchenhaft ist Haapsalu, das bunte Holzhaus-Städtchen am Festland ist in vielem das „Bullerbü“ in Astrid Lindgrens Büchern. In Tallinn, der berühmten Hansestadt, wirken seit 700 Jahren die „Schwarzhäupter“ - ehrlich ja, nur ledig müssen sie heute nicht mehr sein. Die singenden Esten: 30.000 auf einer Bühne! Mit ihrem Sängerfest feiern sie ihre „Singende Revolution“. Dazu die Estlandschweden im Nordwesten, Baltendeutsche mit ehemals hunderten Guts- und Adelssitzen, altgläubige Zwiebelrussen am riesigen Peipussee… viele Volksgruppen haben das Land geprägt. Eine wechselvolle Geschichte, dessen Spuren vielerorts liebevoll restauriert werden. Selbst Sillamäe, Stalins geheime Stadt, in der er seine Atombombe bauen ließ... nicht weit weg von der heutigen EU-Grenze zu Russland. Und gleich dahinter: St. Petersburg - die prunkvolle Zarenstadt mit Peter-Paul-Festung und Eremitage. Dem Ziel einer großen Entdeckungsreise mit einem kleinen Segelboot.